Selbstbegründung von Folter im Fall Mohammed al-Qahtanis

Bildeinsätze in US-amerikanischer Folter und ihre Repräsentation im Film nach 9/11

Mohammed al-Qahtani ist seit 15 Jahren ohne Anklage in Guantánamo Bay gefangen, weil er versucht haben soll, an den Anschlägen vom 11. September als sogenannter muscle hijacker teilzunehmen. Al-Qahtani, das erste von der USA anerkannte Folteropfer des »Global War on Terror«, wurde über mindestens sechs Monate mit Schlafentzug, Isolationshaft, religiöser und sexueller Demütigung, schmerzhaften Stresspositionen, Bedrohungen durch Hunde, Zwangszuführungen von Flüssigkeiten, andauernder Kälte und lauter Musik, täglichen, 20-stündigen Verhören und anderem bis zur Lebensgefahr gefoltert.

Die Studie rekonstruiert seinen Fall von seiner Bezeichnung als »Twentieth Hijacker«, über den Leak seines interrogation logs durch TIME, über das Eingeständnis seiner Folter durch die Regierungsbeamtin Susan Crawford und das Verbot der Veröffentlichung von Bildern al-Qahtanis durch den 2nd U.S. Court of Appeals bis hin zu seiner Befragung durch das Periodic Review Board 2016. Diese journalistischen, juristischen und militärbürokratischen Texte werden auf ihre implizite Legitimation und Verharmlosung von Folter analysiert, indem sie diese als symmetrischen Kampf fehlbeschreiben, medizinische Spätfolgen als ihr Hauptkriterium ausgeben, Überlebende verunsichtbaren oder das Sprechen über die eigene Folterung durch Beschämung, Traumatisierung und Retraumatisierung und als »Gefährdung der nationalen Sicherheit« verunmöglichen.

In einem close reading des geleakten, 80-seitigen Protokolls von al-Qahtanis Folterung wird gezeigt, wie sich die Folter selbstbegründet und rekursiv verstärkt durch Techniken effektiver Entmenschlichung wie Verekelung, Animalisierung, Abjektivierung und der Aberkennung affektiver wie sprachlicher Vermögen, sowie durch eine Selbstbeschreibung von Folter als postkolonialer zivilisierender Maßnahme, die den Gefolterten durch eine notwendig schmerzhafte Abrichtung zu Rationalität und Moralität begaben soll. So zielt die Studie auf eine Bloßlegung der ästhetischen und kulturellen Verfahren, die die extralegale Gewalt der Folter unter Abwesenheit einer Verurteilung oder eines Geständnisses praxeologisch ermöglichen, eskalieren, verharmlosen und verunsichtbaren.

 

Abbildung: Thomas V. Curtis (former Reserve M.P. sergeant): sketch showing how Dilawar was chained to the ceiling of his cell, 2005.