Genderwissen, politische (Text-)körper und kulturelle Figurationen im nordamerikanischen Essay und in transatlantischen Theorieverflechtungen (1966-1992)
Das Dissertationsprojekt untersucht essayistisches Schreiben nordamerikanischer Autorinnen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als kulturelle Praxis und aisthetisch-diskursive Intervention.
Essayistisches Denken und Schreiben wird gemeinhin als undiszipliniert, demokratisch, antinormativ und darin genuin kritisch verstanden. Doch kann eine Form an und für sich kritisch sein? Welche Bedeutung haben die historisch und kulturell spezifischen Kontexte, in denen Essays geschrieben und rezipiert werden? Wer wird als Autor:in und öffentliche:r Intellektuelle:r anerkannt?
Eine literatur- und sozialhistorische Analyse der Form(-ung) des Essays soll zum einen zeigen, dass die Idee und das kritische Ideal des Essays seit seinen Anfängen bei Montaignes Essais (1580) meist diametral im Gegensatz zu seiner tatsächlichen Materialisierung als exklusives Genre einer eurozentrischen »Maleness of reason« stand. Der Umriss einer korrigierenden Genealogie der epistemischen und sozialen Ausschlüsse des Essays dient zum anderen als Fundament für die Erforschung und Kontextualisierung von deren Bruchstellen, Gegenbewegungen und von anderen Formen des essayistischen Denkens und Schreibens.
Denn ab den 60er Jahren eigneten sich nordamerikanische Autor:innen den Essay verstärkt an, nutzten ihn als Medium der Gesellschaftsdiagnostik, der Kulturkritik, der sozio-kulturellen Intervention und entwickelten eigene Ästhetiken des Faktualen. Insbesondere weibliche und afroamerikanische Autor:innen setzten den Essay als Medium der politischen Selbstautorisierung und der literarischen Neuverhandlung von kulturellem Wissen, weiblicher und minoritäter Subjektivität und Positionalität und bis dato essayfernen Themen ein.
In Analysen der Essays von Joan Didion, Audre Lorde, Susan Sontag, Alice Walker, Elizabeth Hardwick und Toni Morrison kann die Variabilität eines Essaysismus als kulturelle Praxis und Arbeit aufgezeigt werden. Diese sind im kulturellen, epistemischen und soziopolitischen Kontext zwischen kaltem Krieg, Jugend- und Protestbewegungen, Desegregationsdebatten und neuen Wissens- und Publikationsformen zu verstehen. Zudem können neue essayistische Poetiken konzeptionalisiert werden, die zwischen den Feldern Literatur, Journalimsus, Episteme und Aktivismus vermitteln, auf autoethnographische und bezeugende Methoden zurückgreifen und nicht zuletzt dem Leiblichen einen entscheidenden Platz zueignen.
Als weiblich gelesene und rassifizierte Körper stellten lange Zeit das konstitutive Andere des Essays dar, das nun auf unterschiedliche Weise in der Gattung auftaucht: als Linse und Speicher von Gesellschaftskritik, als phänomenologische Perspektivierung, in pathographischen Erkundungen, als Politikum in Quasi-Pamphleten – oder als bewusste Leerstelle. Eine Analyse der verschiedenen essayistischen Textkörper kann die tradierten Grenzen des epistemischen Genres des Essays und die Annahmen über die Beziehung zwischen dem (weiblichen) Körper, intellektueller Analyse und faktualer Ästhetik neu ausloten. Nicht nur sich verändernde Repräsentationen und die Spuren von, und Widerstände gegen, hegemoniale Epistemologien des sozial und geschlechtlich markierten Körpers können aus den Texten destilliert werden. Auch lassen sich anhand der Texte alternative Entwürfe und Signaturen ausloten, in denen der Körper als ein Ort und Medium des Wissens, der Visibilisierung, der ästhetischen Erfahrung, der Körperpolitik – des Ein-greifens – fungiert.
Zuletzt werden anhand der untersuchten Essayist:innen der Wandel von Einfluss, Rolle und der Figur von weiblichen public intellectuals in der Zeit des kalten Krieges sichtbar. Die spezifisch amerikanische Figur der Essayistin als kulturelle Figuration und Fantasie verbindet sich hier mit transnationalen Krisenphänomenen und Emanzipationsbewegungen, Kanonisierungsprozessen und der sozialen (im-)mobilität von intellektuellen Sprech- und Adressierungspositionen.
Eingreifendes Schreiben
Das Dissertationsprojekt untersucht essayistisches Schreiben nordamerikanischer Autorinnen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als kulturelle Praxis und aisthetisch-diskursive Intervention.
Essayistisches Denken und Schreiben wird gemeinhin als undiszipliniert, demokratisch, antinormativ und darin genuin kritisch verstanden. Doch kann eine Form an und für sich kritisch sein? Welche Bedeutung haben die historisch und kulturell spezifischen Kontexte, in denen Essays geschrieben und rezipiert werden? Wer wird als Autor:in und öffentliche:r Intellektuelle:r anerkannt?
Eine literatur- und sozialhistorische Analyse der Form(-ung) des Essays soll zum einen zeigen, dass die Idee und das kritische Ideal des Essays seit seinen Anfängen bei Montaignes Essais (1580) meist diametral im Gegensatz zu seiner tatsächlichen Materialisierung als exklusives Genre einer eurozentrischen »Maleness of reason« stand. Der Umriss einer korrigierenden Genealogie der epistemischen und sozialen Ausschlüsse des Essays dient zum anderen als Fundament für die Erforschung und Kontextualisierung von deren Bruchstellen, Gegenbewegungen und von anderen Formen des essayistischen Denkens und Schreibens.
Denn ab den 60er Jahren eigneten sich nordamerikanische Autor:innen den Essay verstärkt an, nutzten ihn als Medium der Gesellschaftsdiagnostik, der Kulturkritik, der sozio-kulturellen Intervention und entwickelten eigene Ästhetiken des Faktualen. Insbesondere weibliche und afroamerikanische Autor:innen setzten den Essay als Medium der politischen Selbstautorisierung und der literarischen Neuverhandlung von kulturellem Wissen, weiblicher und minoritäter Subjektivität und Positionalität und bis dato essayfernen Themen ein.
In Analysen der Essays von Joan Didion, Audre Lorde, Susan Sontag, Alice Walker, Elizabeth Hardwick und Toni Morrison kann die Variabilität eines Essaysismus als kulturelle Praxis und Arbeit aufgezeigt werden. Diese sind im kulturellen, epistemischen und soziopolitischen Kontext zwischen kaltem Krieg, Jugend- und Protestbewegungen, Desegregationsdebatten und neuen Wissens- und Publikationsformen zu verstehen. Zudem können neue essayistische Poetiken konzeptionalisiert werden, die zwischen den Feldern Literatur, Journalimsus, Episteme und Aktivismus vermitteln, auf autoethnographische und bezeugende Methoden zurückgreifen und nicht zuletzt dem Leiblichen einen entscheidenden Platz zueignen.
Als weiblich gelesene und rassifizierte Körper stellten lange Zeit das konstitutive Andere des Essays dar, das nun auf unterschiedliche Weise in der Gattung auftaucht: als Linse und Speicher von Gesellschaftskritik, als phänomenologische Perspektivierung, in pathographischen Erkundungen, als Politikum in Quasi-Pamphleten – oder als bewusste Leerstelle. Eine Analyse der verschiedenen essayistischen Textkörper kann die tradierten Grenzen des epistemischen Genres des Essays und die Annahmen über die Beziehung zwischen dem (weiblichen) Körper, intellektueller Analyse und faktualer Ästhetik neu ausloten. Nicht nur sich verändernde Repräsentationen und die Spuren von, und Widerstände gegen, hegemoniale Epistemologien des sozial und geschlechtlich markierten Körpers können aus den Texten destilliert werden. Auch lassen sich anhand der Texte alternative Entwürfe und Signaturen ausloten, in denen der Körper als ein Ort und Medium des Wissens, der Visibilisierung, der ästhetischen Erfahrung, der Körperpolitik – des Ein-greifens – fungiert.
Zuletzt werden anhand der untersuchten Essayist:innen der Wandel von Einfluss, Rolle und der Figur von weiblichen public intellectuals in der Zeit des kalten Krieges sichtbar. Die spezifisch amerikanische Figur der Essayistin als kulturelle Figuration und Fantasie verbindet sich hier mit transnationalen Krisenphänomenen und Emanzipationsbewegungen, Kanonisierungsprozessen und der sozialen (im-)mobilität von intellektuellen Sprech- und Adressierungspositionen.