Humboldt-Universität zu Berlin – Institut für Kulturwissenschaft
Jacques Derrida: Grammatologie. Suhrkamp 2021, Cover.
Jacques Derrida, Grammatologie
Seminar im Sommersemester 2022
In De la grammatologie (1967) entwickelt Jacques Derrida Grundzüge der »Dekonstruktion«. Im Nachhinein hat Derrida eingeräumt, dass ihn der Erfolg des Wortes »deconstruction« unangenehm berührt habe. Er selbst hatte es als eine Übersetzung von Heideggers Begriff der »Destruktion« (Sein und Zeit, § 6) eingeführt, um dessen bloß negativen Bedeutungsgehalt zu unterlaufen und so dem eigenen Vorhaben anzupassen. Es zielt auf die Klärung und Verstärkung einer geschichtlichen Bewegung ab, die den Horizont für seine Epoche, für sein Denken und Handeln bestimmt: die Dekonstruktion oder Erschütterung der Grundbegriffe des abendländischen, »logozentrischen« Denkens. Derrida geht es nicht um eine Zerstörung der Geschichte der Metaphysik, sondern um eine subversive Strategie des doppelten Schreibens und Lesens. Diese trifft in der hierarchischen Opposition von gesprochener Sprache und alphabetischer Schrift auf einen klassischen Gegenstand, mit dem sich eine beträchtliche Zahl weiterer binärer Gegensätze (Präsenz/Absenz, Natur/Kultur, Tier/Mensch, Leben/Tod, Mann/Frau) verknüpfen. Der erste überlieferte Text, der eine solch‘ hierarchische Anordnung in der Gegenüberstellung von Sprache und Schrift in Szene setzt und damit in den Augen Derridas eine Tradition begründet, die die »Geschlossenheit« oder »Schließung« (»clôture«) der Geschichte der Metaphysik bis hin zur Linguistik von Ferdinand de Saussure und zur strukturalen Ethnologie von Claude Lévi-Strauss bestimmt, ist Platons Dialog Phaidros (ca. 369 v. Chr.). Anhand der gemeinsamen Lektüre einer Reihe für Derrida »symptomatischer« Texte (Platon, Rousseau, Hegel, Nietzsche, Husserl, Freud, Lévinas, Saussure, Lévi-Strauss) soll es im Seminar darum gehen, die in der Grammatologie entfaltete Strategie der »Dekonstruktion« auf ihre Tragweite zu überprüfen und ihre Grundbegriffe (»Spur«, »différance«, »Ur-Schrift«) genauer zu befragen, gerade auch um Möglichkeiten ihrer kulturwissenschaftlichen Aktualisierung auszuloten.
Jacques Derrida, Grammatologie
In De la grammatologie (1967) entwickelt Jacques Derrida Grundzüge der »Dekonstruktion«. Im Nachhinein hat Derrida eingeräumt, dass ihn der Erfolg des Wortes »deconstruction« unangenehm berührt habe. Er selbst hatte es als eine Übersetzung von Heideggers Begriff der »Destruktion« (Sein und Zeit, § 6) eingeführt, um dessen bloß negativen Bedeutungsgehalt zu unterlaufen und so dem eigenen Vorhaben anzupassen. Es zielt auf die Klärung und Verstärkung einer geschichtlichen Bewegung ab, die den Horizont für seine Epoche, für sein Denken und Handeln bestimmt: die Dekonstruktion oder Erschütterung der Grundbegriffe des abendländischen, »logozentrischen« Denkens. Derrida geht es nicht um eine Zerstörung der Geschichte der Metaphysik, sondern um eine subversive Strategie des doppelten Schreibens und Lesens. Diese trifft in der hierarchischen Opposition von gesprochener Sprache und alphabetischer Schrift auf einen klassischen Gegenstand, mit dem sich eine beträchtliche Zahl weiterer binärer Gegensätze (Präsenz/Absenz, Natur/Kultur, Tier/Mensch, Leben/Tod, Mann/Frau) verknüpfen. Der erste überlieferte Text, der eine solch‘ hierarchische Anordnung in der Gegenüberstellung von Sprache und Schrift in Szene setzt und damit in den Augen Derridas eine Tradition begründet, die die »Geschlossenheit« oder »Schließung« (»clôture«) der Geschichte der Metaphysik bis hin zur Linguistik von Ferdinand de Saussure und zur strukturalen Ethnologie von Claude Lévi-Strauss bestimmt, ist Platons Dialog Phaidros (ca. 369 v. Chr.). Anhand der gemeinsamen Lektüre einer Reihe für Derrida »symptomatischer« Texte (Platon, Rousseau, Hegel, Nietzsche, Husserl, Freud, Lévinas, Saussure, Lévi-Strauss) soll es im Seminar darum gehen, die in der Grammatologie entfaltete Strategie der »Dekonstruktion« auf ihre Tragweite zu überprüfen und ihre Grundbegriffe (»Spur«, »différance«, »Ur-Schrift«) genauer zu befragen, gerade auch um Möglichkeiten ihrer kulturwissenschaftlichen Aktualisierung auszuloten.