Kulturwissenschaftliche Ästhetik

Ringvorlesung im Sommersemester 2023

Der Lehr- und Forschungsbereich »Kulturwissenschaftliche Ästhetik« an der Humboldt-Universität zu Berlin ist in der deutschsprachigen Universitätslandschaft singulär. Zwar knüpft der Titel an die im 18. Jahrhundert gegründete philosophische Disziplin der »Ästhetik« an, die mit dem Anspruch verknüpft war, der Kunst ein freies und autonomes Feld zu verschaffen. Mit der kulturwissenschaftlichen Perspektive werden jedoch andere Zugänge zu ästhetischen Fragestellungen eröffnet. Dazu gehören erstens kolonialhistorische Kontextualisierungen der klassischen Texte der Ästhetik sowie Fragen der kolonialen Kultivierung des Geschmacks, der politischen Aufteilung des Sicht- und Sagbaren und zumal der rassistischen Ausgrenzung ästhetischer Vermögen und Praktiken. Damit ist zweitens die Untersuchung der von der klassischen Ästhetik verworfenen Perspektiven verbunden: Die »Aisthesis« im Wortsinn von Empfindung und Wahrnehmung, die körperlich-sinnliche Dimension ästhetischer Affizierungen, Berührungen und Gefühle, einschließlich der ugly feelings und des Gebrauchs der Lüste; vor allem jedoch Künste, Verfahren, Medien, Praktiken und Akteur:innen schwarzer, migrantischer, queerer, kindlicher, »primitiver« Ästhetik. Drittens handelt es sich darum, die Bedeutung des Ästhetischen für die Ausübung von Macht und Gewalt im organisierten Maßstab zu untersuchen: insbesondere von pornografischer, sexueller und sadistischer Gewalt. Und nicht zuletzt geht es viertens: um ästhetische Artikulationsformen des Politischen, um aisthetische Widerstände und body politics. In der Ringvorlesung und in den korrespondierenden MA- und BA-Seminaren werden Möglichkeiten und Grenzen kulturwissenschaftlicher Ästhetik ausgelotet. Sie bieten ein Spektrum aussagekräftiger Fallgeschichten und theoretisch angeleiteter Auseinandersetzungen an.

Die Ringvorlesung findet donnerstags, 12–14Uhr ct., im Reutersaal der Dorotheenstraße 24 statt.

 

PROGRAMM:

20.04.2023 – Iris Därmann: Ästhetik „in zwei Akten“: im kolonialrassistischen Kontext des transatlantischen Sklavenhandels und im Black Atlantic

27.04.2023 – Andreas Gehrlach: Wie man einen Gott machen kann – Eine Untersuchung und eine Bastelanleitung

04.05.2023 – Sofie Fingado: „Let’s make these prison walls quake and tumble until they all fall down“. Politisches Schreiben und abolitionistische Gefängnispolitiken

11.05.2023 – Waldemar Isak: „Politische Dermatologie“. Aisthetische Konturen bei Paul B. Preciado und Anne Boyer

18.05.2023 – Feiertag (keine Vorlesung)

25.05.2023 – Beate Absalon: Ästhetiken des Verzichts in Zeiten der Zwangssexualität

01.06.2023 – Lektürewoche (keine Vorlesung)

08.06.2023 – Antonio Lucci: Deutscher Orientalismus und Philosophie: Mystik, Yoga und die Frage nach der menschlichen Natur

15.06.2023 – Sebastian Köthe: „Ich kann getröstet nicht leben.“ Trost und Untröstlichkeit bei Ilse Aichinger

22.06.2023 – Sophia Lohmann: „Until it is faced.“ Ethiken der Begegnung und Alterität in nordamerikanischen Essays

29.06.2023 – Jan Mollenhauer: Haut und Falten. Montage und Deutung eines Fotos vom Heiligabend 1944

06.07.2023 – Sophia Gräfe: Archivhypnosen. Kulturwissenschaftliche Wissenschaftsforschung

13.07.2023 – Holger Brohm: Blicke des Schlafes bei Lili Dujourie, Sophie Calle und Doug Aitken

20.07.2023 – Stephan Zandt: Zwischen Transition und kolonialer Erinnerung: Eine kleine Kultur- und Mediengeschichte des Teddybären